, Sailer Christian

Die Lehrerin, die sich mit jungen Wilden herumschlägt

AboPorträt einer etwas anderen Sportlerin

Die Lehrerin, die sich mit jungen Wilden herumschlägt

ZSZ (Abo)
 
 
«Nicht Letzte werden», will Evelyne Trepte morgen an den Radquer Schweizer Meisterschaften in Hittnau. Sie startet als Hobbysportlerin im kleinen Elite-Feld der Frauen. Bis auf eine Ausnahme sind ihre neun Konkurrentinnen mindestens neun Jahre jünger. Die haben 90er-Jahrgänge, die Horgnerin ist 1982 geboren. «Gäbe es für Frauen eine Masters- oder Amateur-Kategorie, würde ich natürlich in dieser starten», lacht Trepte. «Aber Frauen und Radsport…», sie zögert kurz, «…da gibt es wenige Profis.» Im Cross sowieso. «Da kommen halt so Leute wie ich, die sich mit jungen Wilden herumschlagen», schmunzelt sie. Das Einreihen am Start sei manchmal schon komisch. «Ich stehe dann da und denke: ja hallo zäme!»

Bammel wie letztes Jahr vor ihrem ersten Querrennen in Baden hat Evelyne Trepte aber keinen mehr. Dort hat es ihr den Ärmel reingezogen. «Schon 2019 versuchte ich mich mal in dieser Disziplin, empfand damals aber keinen Spass.» Das Velofahren war für die seit jeher polysportive Athletin früher mehr Mittel zum Zweck, zum während Verletzungen nebenbei trainieren. «Mein Mann hat mich zum Mountainbike bewegt, er brauchte aber mehrere Anläufe», schildert sie. Kennengelernt haben sich die beiden während eines Trainingslagers auf Mallorca. Michael (40) ist inzwischen ihr Mentor und als Duo nehmen sie Teamrennen in Angriff.

Ein absolutes Challenge-Jahr

2021 wird für das Ehepaar Trepte zur sportlich äusserst herausfordernd. «Höhepunkte sind unsere Teilnahme am Swiss Epic und Cape Epic», hebt sie hervor. Sich in den einwöchigen Mountainbike-Etappenrennen mit Profi-Teams messen zu können, ist eine Challenge sondergleichen. Jenes in Südafrika wurde wegen Corona von März auf Oktober verschoben. Das kommt Evelyne Trepte entgegen: «Ich muss noch an meiner Härte arbeiten und mutiger in den Abfahrten werden.» Zudem bietet sich ihr so die Möglichkeit, noch andere Wettkämpfe zu bestreiten. «An der MTB-Marathon-EM im Wallis würde ich gerne starten.» 2019 qualifizierte sie sich für die WM in Grächen und fuhr auf Rang 35.

Auch im Triathlon hat sich die Horgnerin schon versucht. Vor drei Jahren absolvierte sie die Cross-WM auf Maui und den Ironman 70.3 am Obersee. «In Rapperswil-Jona wollte ich das Ziel unter fünf Stunden erreichen, verpasste dies aber um nur sieben Minuten.» Bis heute fuchst sie das: «Irgendwann will ich das für mich noch richtigstellen.» Vom Triathlon ist Evelyne Trepte momentan aber weggekommen. Auch aufgrund der Corona-Pandemie – «mir fehlen Trainingsmöglichkeiten im Wasser», begründet sie –, primär aber wegen ihres Umsattelns aufs Bike. In ihrem ersten MTB-Rennen in Deutschland wurde die ambitionierte Hobbysportlerin Zweite der Overall-Kategorie, darauf folgte ein zweiter Platz am Bike-Marathon im Schwarzwald. «Ich merkte, dass man schnell ein Level höher kommt, wenn man mehr investiert», kommentiert sie ihre stetigen Fortschritte. Ein Jahr später ging sie in Furtwangen wieder an den Start und über 70 km als Siegerin hervor.

Das unentdeckte Lauftalent

Weder an Talent noch Durchhaltewille fehlte es Evelyne Trepte in jungen Jahren, um Profisportlerin zu werden. Als Tochter eines ungarischen Handballers – der sich «damals als Profi nebenbei ein Sackgeld verdiente und nach einem Spiel gegen GC hier in der Schweiz blieb», wie sie schildert – begann sie mit acht im LC Regensdorf mit Leichtathletik und wechselte bald in den LC Zürich. «Ich war eine starke Sprinterin und stieg dann in Jugendjahren auf Mittel- und Langstrecken um.» An unzähligen regionalen und nationalen Wettkämpfen schaffte es die Zürcherin stets in die Finalläufe. «Ein Meistertitel blieb mir aber immer verwehrt», seufzt sie. Ihr Talent blieb unentdeckt. «Damals wurde man noch nicht so gefördert und es gab auch kaum Sportschulen. Heutzutage ist das etwas anders, wenn Kinder sportlich begabt sind», gibt sie zu bedenken.

So erhielten nach ihrem Betriebsökonomiestudium und Eintritt ins Berufsleben andere Dinge zunehmend einen höheren Stellenwert. Evelyne Trepte reiste oft, arbeitete als Officemanagerin, war später für eine Beratungsfirma tätig, heiratete ihren Michael und wurde 2010 Mutter. «Da hatte ich länger gar kein Interesse mehr an Sport, ausser joggen mit dem Babywagen», lacht sie. Vier Jahre nach der ersten Geburt kam die zweite Tochter zur Welt. «Doch vor vier Jahren hat es mich wieder gepackt und ich begann zunehmend mehr zu trainieren.» Die Resultate lassen sich bis heute sehen.

Nachwuchs rückt bereits nach

Neben ihren Trainingseinheiten, die inzwischen bis 14 Stunden pro Woche einnehmen, und familiären Pflichten liess sich Trepte berufsbegleitend während drei Jahren zur Primarschullehrerin ausbilden. Seit Sommer 2019 unterrichtet sie im 55-Prozent-Pensum in Zürich. Bis letzten Sommer engagierte sie sich im SC Horgen, zuerst als Betreuerin des Kids-Schwimmen und später auch in der Administration des Traditionsvereins. Ihre ältere Tochter ist «ein kleines Fischli» und trainiert mittlerweile im Leistungsschwimmen des SV Baar. «Die Kleine ist noch eine Multisportlerin und fährt gerne am EKZ-Cup», verrät Trepte.

Die Begeisterung für den Sport haben die Eltern auf ihren Nachwuchs übertragen. Werden die Töchter eines Tages Profis? «Diese Entscheidung überlassen wir ganz ihnen, wir wollen da nichts aufzwingen», betont die polysportive und ehrgeizige Mutter. Vielmehr wünscht sie sich etwas anderes: «Dass Mädchen im Radsport mehr gefördert, und vielleicht auch ihre Mamis an den Rennen mehr an diesen Sport herangeführt werden.» Evelyne Trepte ist überzeugt, dass dadurch viel bewegt würde. Ihre Jüngere könnte allenfalls von einer besseren Nachwuchsförderung profitieren. Unabhängig davon ist nicht ausgeschlossen, dass ihr künftig die eigenen «jungen Wilden» beim gemeinsamen Trainieren davon fahren.